„Ein jegliches ist Geist schon
in ihm selbst, bevor es sich zu anderen in Beziehung bringt. ... Ihr
voraus geht die Zuwendung, mit der jegliches entdeckt, von welcher Art es
überhaupt ist, eine Zuwendung, die man ein ursprüngliches Gewahren seiner (syneidesis) nennen muß. In ihr erfährt ein Wesen, daß es wirklich ist und bestimmten
Wesens und gründet ein Verhältnis zu sich.“
Henrich D (1970) Die Grundstruktur der modernen
Philosophie. In: Selbstverhältnisse 1982, 92.
„So kommt auch ein Zwang ... zur Wirkung, wenn in
einem der wichtigsten Dokumente der oikeiosis-Lehre die Vertrautheit
eines Wesens mit sich auch noch das zum Inhalt hat, kraft dessen
Vertrautheit überhaupt bestehen kann - sein Wissen von sich
(syneidesis). Selbstgefühl kann ich nur haben, wenn ich zugleich davon
weiß, d a ß ich mit mir vertraut bin: ... kai ten tautes syneidesin.“
Diogenes Laertius VII, 85. Zit. n. Henrich D (1975) Über Selbstbewußtsein und Selbsterhaltung. In: Selbstverhältnisse 1982, 114.
„Von
einem Subjekt ist dann zu sprechen, wenn eine Aktivität im
Wissen
von sich fundiert ist und wenn ein Prozeß von
diesem Wissen
her
eingeleitet und unterhalten wird. Insofern also die beiden Prozesse solche
sind, in die das Subjekt eintritt und als solches sich ausbildet,
und
insofern weitere Aktivitäten von ihnen her modifiziert werden,
ist es
möglich, von S u b j e k t i v i t ä
t in einem prozessualen Sinn
zu
sprechen.“
So „wird es möglich und sinnvoll, den Prozeß, in
dem das Subjekt begriffen ist, als ein Leben zu verstehen, für das es gilt, daß es im Bewußtsein des Subjektes von sich und aus ihm heraus zu
vollziehen
ist.
Beides ist zusammengenommen, wenn dem Menschen
ein b e w u ß t e s L e b e n
zugesprochen wird.“
Henrich D (1999) Bewußtes Leben, 19f.
„Kenntnis haben von sich,
vertraut sein mit sich – das ist
eine Struktur, die nicht von
den Merkmalen der Art dependiert,
der ein Wesen angehört. Jedes
Wesen, gleich welcher Art,
sofern es nur mit sich vertraut
ist, ist durch diese Selbstbeziehung
jedem anderen gleich.
Das Gewahren des eigenen
Wesens, rein als dieses Gewahren genommen, und als Vorbedingung der
Selbsterhaltung, könnte
die gleiche Allgemeinheit
haben, die dem Sein selber in der Ontologie des Aristoteles zukam.“
Henrich D (1970) Die Grundstruktur der modernen
Philosophie.
In: Selbstverhältnisse 1982, 92f.
„Wenn nun aber Subjektivität
und Selbsterhaltung in einem direkten Zusammenhang miteinander stehen, so
folgt, daß immer auch ein Gedanke von einem Ganzen im Spiel ist,
in dem Bewußtsein und
mit ihm Rationalität aufkommen,
fungieren und sich entfalten ...
Dieser weitere Zusammenhang
ist, vom Standpunkt der Subjektivität oder des bewußten Lebens
selbst aus gesehen, schon anderes als
ein empirischer oder ein
szientifischer Weltbegriff, und insofern
eine Metaphysik.“
Interview Henrich D (1991) Philosophie im einen
Deutschland. In: Nach dem Ende der Teilung 1993, 186f.
„Nach all den Debatten ...kann
man wohl festhalten, daß die
physikalische Theorie als der
einzige Kandidat für eine letzte
wissenschaftliche
Weltbeschreibung keine Möglichkeit dazu eröffnet,
einen Weltbegriff auszubilden,
in dem Subjekt und Subjektivität so,
wie sie hier erklärt worden
sind, einen Platz finden könnten.“ ...
Es „stimmt damit zusammen, daß die
physikalische Weltbeschreibung
auf Verfahren beruht, die
darauf ausgehen, die ontologische Vielfalt
von all dem zu beseitigen, was
uns in der Welt begegnet, in die wir hineinwachsen. Erst damit entsteht eine
einheitliche Beschreibungsart,
ohne die allgemeingültige
Erklärungen nicht zu gewinnen sind.“
Henrich D (1999) Bewußtes Leben, 29f.
„Wer
nicht versucht ist Materialist zu sein, erfährt wohl gar nicht
die
Dringlichkeit, zu einer Weltbeschreibung zu kommen,
die
sich der materialistischen Reduktion von Subjektivität und Intentionalität
nicht unterwirft ... . Wir sind also in der Situation,
eine
alternative Weltbeschreibung wenn nicht entwickeln und beweisen, so doch
skizzieren oder zumindest mit Gründen offenhalten zu müssen, innerhalb deren
das bewußte Leben zu letzten Gedanken über
sich selbst kommen kann – eine Weltbeschreibung, in der wir dann auch
als
Subjekt
und Person vorkommen können.“
Interview Henrich D
(1995) Bewußtes Leben und Metaphysik.
In: Bewußtes Leben 1999, 208f.
Schmidt J (2012) Achtsamkeit. Versuch zur ethischen
Theologie. In: Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und
Religionsphilosophie, 54.1. Walter de Gruyter Berlin 2012.